Digitalisierung in Pharmaunternehmen - Interview
Die Digitalisierung medizinischer Prozesse birgt noch einiges an Potenzial für alle Beteiligten: Andreas Balsiger, Head of Product Management bei der Axon Ivy AG, spricht im Interview unter anderem über Projektergebnisse, die Unternehmen wie Biocare Medical darin unterstützen, ihre Unternehmensprozesse zu optimieren: beispielsweise, indem der Zertifizierungsprozess von medizinischen Geräten von Tagen auf wenige Stunden verkürzt werden kann.
Herr Balsiger, die Zulassung von Arzneimitteln ist in der Regel deutlich länger als aktuell für C19-Impfstoffe. In der öffentlichen Wahrnehmung sorgt das für Kritik. Inwiefern kann dieser Zeitraum durch digitalisierte Prozesse verkürzt werden und hat es einen Einfluss auf Qualitätsansprüche?
Da die relevanten Abteilungen für den Zulassungsprozess oftmals über verschiedene Standorte und Länderorganisationen verteilt sind, kann dieser Prozess ohne automatisierte und digitalisierte Prozesse nicht nur sehr lange dauern, sondern auch sehr fehleranfällig sein. Der Bewilligungsprozess für Arzneimittel ist deshalb ein Paradebeispiel dafür, wie Pharmaunternehmen mit der Einführung digitaler Prozesse und dank der Automatisierung autonom und deutlich effizienter werden. Dabei bleibt die Qualität nicht nur gleich, sondern kann sogar gesteigert werden. Das wird sichergestellt, indem alle Beteiligten über einen geführten Prozessablauf ohne Medienbrüche zusammenarbeiten und die umliegenden Systeme sinnvoll integriert werden.
Welche Stellen/Parteien müssen für diese Art der Digitalisierung miteinander verknüpft werden?
Es müssen alle Stellen/Parteien in den Prozess integriert werden, welche für die Bewilligung des entsprechenden Arzneimittels von Bedeutung sind. Neben den medizinischen Aspekten muss das Arzneimittel zusätzlich allen rechtlichen und formellen Anforderungen genügen. Abteilungen wie die Rechtsabteilung, das Marketing oder die Compliance-Abteilung dürfen deshalb nicht vergessen werden.
Wo liegen die größten Risiken?
Das größte Risiko besteht darin, dass man es versäumt, den digitalisierten Prozess ganzheitlich zu betrachten. Automatisiert man nur gewisse Abläufe durchgehend oder geht man bei der Integration der Beteiligten Kompromisse ein, kann das Potenzial eines digitalisierten Bewilligungsprozesses für Arzneimittel nicht ausgeschöpft werden. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass die eingesetzte Prozessautomatisierungsplattform nicht nur den Prozess vorgibt, sondern auch die Ausführung des Prozesses ermöglicht und kontrolliert.
IT & medizinisches/chemisches Know-how sind üblicherweise nicht in einer Ausbildung miteinander verknüpft – benötigt es spezielle Teams, um solche Herausforderungen zu meistern?
Auch hier bietet eine Prozessautomatisierungsplattform entsprechende Unterstützung. Da sämtliche Prozesse von der Fachabteilung getrieben werden, muss die eingesetzte Plattform diese Zielgruppe bei der Digitalisierung unterstützen. Deshalb wurde in den letzten Jahren viel Aufwand betrieben, um Plattformen als sogenannte Low Code-Plattformen auch für die Fachabteilungen nutzbar zu machen. Low Code bedeutet, dass die Fachabteilung mit der gleichen Plattform wie die IT kollaborativ arbeiten und die Prozessvorgaben selbst bestimmen kann. Die IT stellt währenddessen sicher, dass Umsysteme wie zum Beispiel SAP elegant und vollständig integriert werden.
Lässt sich das Projekt international skalieren? Länder haben sicherlich ganz eigene Zertifizierungs- und Zulassungs-Standards.
Auch hier kommen die Stärken einer Prozessautomatisierungsplattform vollständig zum Einsatz. Da der Prozess nicht programmiert, sondern über eine standardisierte Modellierung beschrieben wird, können länderspezifische Varianten ohne Weiteres berücksichtigt werden. Damit ist die Skalierung und Multiplizierung für verschiedene Länder und Zertifizierungsstandards möglich.